MaLeMINT-Aufgabenkatalog nun über Online-Plattform für Studieninteressierte in Schleswig-Holstein zugänglich
Um den Übergang von der Schule in ein MINT-Studium zu erleichtern, ermittelten Schulen und Hochschulen in Schleswig-Holstein in einem zweijährigen Kooperationsprozess die mathematischen Lernvoraussetzungen für MINT-Studiengänge, der in einem Aufgabenkatalog mündete. Dieser Aufgabenkatalog geht auf die MaLeMINT-Studien der Abteilung Didaktik der Mathematik am IPN | Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik zurück. Jetzt hat die Fachhochschule (FH) Kiel ihn digitalisiert. Studieninteressierte können ihn nun online für Selbsttests und Trainingszwecke nutzen, Mathematiklehrkräfte der allgemeinbildenden und beruflichen Schulen für den Unterricht. Finanziert wird das Projekt aus Mitteln des Digitalisierungsprogramms 3.0 der Landesregierung.
Rund 70 MINT-Studiengänge, also Studiengänge im Bereich der Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, bieten Schleswig-Holsteins Hochschulen an. Wer Schiffbau und maritime Technik an der FH Kiel, Molecular Life Science an der Uni Lübeck oder Energiewissenschaften an der HS Flensburg studieren möchte, kann von jetzt an online testen, ob die Mathematikkenntnisse für das Wunsch-Studium ausreichen. Für die MaLeMINT-Plattform hat das Projektteam um Prof. Dr. Claus Neumann von der Fachhochschule Kiel den Aufgabenkatalog zunächst digitalisiert. In einem weiteren Schritt hat es jedem der rund 70 MINT-Studiengänge Schleswig-Holsteins dessen spezifische mathematische Anforderungen bei Studienbeginn zugeordnet.
„Die Plattform soll eine Orientierungshilfe für Studieninteressierte sein, um sich mit den mathematischen Anforderungen vertraut zu machen und sich für ein MINT-Studium entscheiden zu können.“
Projektleiter Neumann, Professor für Physik und Mathematik, FH Kiel
Rund eine Stunde dauert der anonyme Check-Up-Test, mit dem die Nutzer*innen eine detaillierte Rückmeldung zu ihrer Mathematikkompetenz erhalten. Und nicht nur das. Mit Hilfe der ausführlicheren Trainings können sich die Studieninteressierten gezielt auf das von ihnen gewählte MINT-Studium an ihrer Wunsch-Hochschule in Schleswig-Holstein vorbereiten und Wissenslücken vor Studienbeginn schließen. Wer gar nicht genug bekommt, kann sich im Rahmen der sogenannten Challenge auch den gesamten Fragenkatalog und damit 320 Aufgaben vornehmen und den MINT-relevanten Schulstoff der Sekundarstufe I und II wiederholen.
Die Programmierung der Website erfolgte durch Studierende des Fachbereichs Informatik und Elektrotechnik, das didaktische Konzept und die Programmierung der Aufgaben durch Sandra Herzog, Lehrkraft für besondere Aufgaben an der FH Kiel. „Aus unserer langjährigen Erfahrung mit digitalen Aufgaben wissen wir, dass der Aufbau mathematischer Kompetenzen durch digitale Aufgaben zielgerecht unterstützt wird, auch weil Teilnehmende unmittelbare Rückmeldung zu ihren Antworten erhalten. Besonders das präzise Feedback, das zu jeder Eingabe über die Art und Stelle eines gemachten Fehlers gegeben wird, sowie die ausführliche Musterlösung helfen den Teilnehmenden beim Kompetenzerwerb.“
Für Mathematik-Lehrkräfte richtete die FH Kiel ein Portal ein, um ihnen eine gezielte Unterstützung bei der Studienorientierung und -vorbereitung der Abschlussklassen zu ermöglichen. So könne auch der Mathematikunterricht in den Schulen von der Online-Plattform profitieren, erklärt Dr. Gesa Ramm, Direktorin des Instituts für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein (IQSH). „Damit Lehrkräfte die MaLeMINT-Plattform begleitend in ihrem Unterricht nutzen können, wurden alle Aufgaben den jeweiligen Jahrgangsstufen zugeordnet. Deswegen bewerben wir den Einsatz der Lernplattform. Im Rahmen des Aus- und Fortbildungsangebots bieten wir Lehrkräften eine Einführung in deren Nutzung an.“
Mit der Digitalisierung des MaLeMINT-Aufgabenkatalogs wurde ein wichtiges gemeinsames Ziel der mehrjährigen Kooperation von Mathematiklehrkräften an Schulen und Hochschullehrenden erreicht.
„Die Aufgaben illustrieren die erwarteten mathematischen Kenntnisse für MINT-Studiengänge in Schleswig-Holstein und sind Schülerinnen und Schülern gleichzeitig in der Art der Darstellung aus dem Mathematikunterricht der Schule vertraut. Mit diesem maßgeschneiderten Angebot wird der Übergang von der Schule ins Studium gezielt unterstützt.“
Prof. Dr. Aiso Heinze, IPN
Auch Bildungsstaatssekretärin Dr. Dorit Stenke ist sich sicher, dass von der Plattform sowohl Lernende als auch Lehrende profitieren werden: „In MaLeMINT ist viel Know-how und Leidenschaft aller Beteiligten eingeflossen. Das Resultat ist mehr als überzeugend.“
Die Plattform ist unter www.malemint.de zu erreichen.
Zum Hintergrund der MaLEMINT-Studien:
Viele studieninteressierte Schülerinnen und Schüler beenden die Schule in dem Glauben, Mathematik bräuchten sie nie wieder. Spätestens im Studium wird ein Großteil von ihnen dann doch wieder mit Mathematik konfrontiert – selbst, wenn sie Studiengänge außerhalb der klassischen MINT-Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik gewählt haben. So stellen auch Studienfächer wie beispielsweise Wirtschaftswissenschaften, Soziologie, Psychologie, Sportwissenschaft oder Architektur mitunter hohe mathematische Anforderungen, die bei einem Teil der Studierenden zu einer Überforderung führen und in schlechten Noten bzw. einem Studienabbruch münden können.
Welche mathematischen Lernvoraussetzungen Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer von Studierenden erwarten, wurde in zwei Studien des IPN mit Hilfe der Delphi-Methode erhoben. Bei dieser Methode wird über mehrere Runden hinweg die Einschätzung von Expertinnen und Experten erfasst, strukturiert und zur erneuten Bewertung zurückgespiegelt, um sich einem Konsens anzunähern. Dabei wird den teilnehmenden Expertinnen und Experten nicht mitgeteilt, wer welche Meinung geäußert hat, so dass Effekte der sozialen Beeinflussung vermieden werden, wie sie beispielsweise in Befragungen auftreten, bei denen die gesamte Expertengruppe vor Ort zusammenkommt und diskutiert. Die erste MaLeMINT-Studie aus dem Jahr 2017, die von der Telekom Stiftung mitfinanziert wurde, nahm die MINT-Fächer in den Blick.
„Endlich kein Mathe mehr“ – das denken manche Abiturientinnen und Abiturienten, wenn sie ihr Abiturzeugnis in der Hand halten. Wie sehr sie sich täuschen, bestätigte auch die zweite MaLeMINT-Studie, die im Jahr 2022 folgte. Sie nahm die Studiengänge jenseits der MINT-Fächer in den Blick. Es zeigt sich, dass über alle Studienfachgruppen hinweg fundierte mathematische Kenntnisse vorausgesetzt werden. In der Regel liegt das Anspruchsniveau der Lernvoraussetzungen jenseits basaler mathematischer Kenntnisse und Fähigkeiten und ist in Teilbereichen vergleichbar mit dem Niveau, das auch im MINT-Bereich erwartet wird.
Im Rahmen der Studien bemängelten Hochschullehrende, dass viele Studierende ihr Studium mit falschen Vorstellungen in Bezug auf die mathematischen Anforderungen des Faches aufnehmen. Diese Erfahrungen verdeutlichen, dass es wichtig ist, die Erwartungen an Studienanfängerinnen und Studienanfänger transparent zu machen und die Rolle der Mathematik für eine große Bandbreite an Fächern und Themengebieten aufzuzeigen. Die Entwicklung des Aufgabenkatalogs für die MINT-Fächer und dessen digitale Umsetzung mit Trainingsmöglichkeit ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.