Persönlichkeit

Seit Jahrzehnten wird in Öffentlichkeit und Forschung angenommen, dass die Persönlichkeit von Lehrkräften einen entscheidenden Einfluss auf die Unterrichtsqualität und die Schülerergebnisse hat. Die Persönlichkeit einer Person beschreibt ihre situations- und zeitübergreifenden Tendenzen zu handeln, zu denken und zu fühlen. In der Psychologie wird die Persönlichkeit eines Menschen mittlerweile überwiegend anhand fünf breiter Eigenschaftsdimensionen beschrieben, den sogenannten Big Five:

  1. Neurotizismus: Menschen mit starken Ausrpägugnen in diesem Merkmal können als ängstlich, besorgt und verletzlich beschrieben werden.
  2. Extraversion umfasst die Eigenschaften gesellig, durchsetzungsfähig und aktiv.
  3. Offenheit für neue Erfahrungen: Menschen mit hohen Werten bezeichnen sich als wissbegierig, fantasievoll und experimentierfreudig.
  4. Verträglichkeit beschreibt das Maß an Fürsorglichkeit und Freundlichkeit gegenüber anderen.
  5. Gewissenhaftigkeit bezieht sich auf die Selbstorganisation und Zielstrebigkeit.

In unserer Forschung stehen folgende Fragen im Mittelpunkt:

Welche Ausprägungen haben angehende Lehrkräfte in den Persönlichkeitsdimensionen im Vergleich zu anderen Studierenden?

Insbesondere im Rahmen der Rekrutierung und Selektion geeigneter Personen für den Lehrkräfteberuf wird die Bedeutung von Persönlichkeitsmerkmalen, die bereits vor dem Antritt der Lehrerinnen- und Lehrerbildung bestehen, betont (Eignungshypothese; Klassen et al., 2014; Mayr, 2000).

Wir konnten zeigen, dass sich angehende Lehrkräfte in ihrer Persönlichkeit kaum von Studierenden anderer Fachrichtungen unterschieden. Sie waren im Mittel genauso emotional stabil und die Studierenden des Grundschullehramts waren verträglicher und extravertierter als Studierende des Nicht-Lehramts (Klusmann et al., 2009; Roloff-Henoch et al., 2015).

Welche Bedeutung hat die Persönlichkeit von Lehrkräften für ihre berufliche Performanz?

In verschiedenen theoretischen Modellen wird ein Effekt der Persönlichkeit von Lehrkräften für ihre berufliche Performanz postuliert (Kunter et al., 2011; Rimm-Kaufman & Hamre, 2010). Wir konnten zeigen, dass die Persönlichkeitsmerkmale zu Beginn der Lehramtsausbildung wenig Einfluss darauf haben, wie erfolgreich die angehenden Lehrkräfte im Studium und als Lehrkräfte später im Beruf in ihrer Unterrichtsgestaltung waren. Lediglich die Verträglichkeit einer Lehrkraft spiegelte sich in einer positiveren Einschätzung ihrer Schülerinnen und Schüler auf zentralen Dimensionen der Unterrichtsqualität wider (Roloff et al., 2020).

Allerdings scheint die Persönlichkeit eine wichtige Rolle für das berufliche Wohlbefinden zu spielen. Wir konnten in einer Längsschnittstudie die prädiktive Validität von Gewissenhaftigkeit und Neurotizismus für die emotionale Erschöpfung von Lehrkräften zeigen (Roloff et al., 2017). Ein hohes Ausmaß an emotionaler Erschöpfung berichteten im Mittel Lehrkräfte, die sich durch niedrige Werte in Gewissenhaftigkeit und hohe Werte im Neurotizismus charakterisierten. Darüber hinaus fanden wir in einer aktuellen Meta-Analyse substantielle Zusammenhänge zwischen Persönlichkeit und Burnout bei Lehrkräften (Roloff et al., 2022).