SWK veröffentlicht neues Gutachten: Kompetenzen für den erfolgreichen Übergang von der Sekundarstufe I in die berufliche Ausbildung sichern
Die SWK hat heute das Gutachten „Kompetenzen für den erfolgreichen Übergang von der Sekundarstufe I in die berufliche Ausbildung sichern“ veröffentlicht. Das Gutachten arbeitet heraus, welche fachlichen und überfachlichen Kompetenzen am Ende der Sekundarstufe I erreicht werden müssen, um jungen Menschen den erfolgreichen Übergang in die berufliche Ausbildung und eine gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Forschungsbefunde weisen eindrücklich darauf hin, dass Personen ohne einen beruflichen Abschluss in ihren Teilhabechancen auf dem Arbeitsmarkt stark eingeschränkt sind. Die Empfehlungen der SWK zielen daher darauf ab, die Chancen am Ausbildungsmarkt deutlich zu erhöhen und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Gerade sozial und kulturell benachteiligte Jugendliche wie auch Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf sind mit besonderen Herausforderungen beim Übergang in die Berufsausbildung konfrontiert. Sie bei der Bewältigung der Herausforderungen besser zu unterstützen, ist Aufgabe von Schule. Unterrichts- und Schulentwicklung sollte auf die Sicherung der basalen und der (für Ausbildung und gesellschaftliche Teilhabe) unverzichtbaren funktionalen Kompetenzen abzielen. Dies erfordert auch, alle Akteure und Akteurinnen im Bildungssystem entsprechend zu qualifizieren.
Die Situationsanalyse für das Gutachten hat gezeigt, dass die fachlichen und überfachlichen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler in der Sekundarstufe I in den letzten Jahren deutlich abgenommen haben. Erschreckend ist dabei vor allem die große Zahl an Schülerinnen und Schülern, die die Mindeststandards in Deutsch und Mathematik verfehlen, weil ihnen damit die Teilhabe an Bildung, Arbeitswelt und Gesellschaft erschwert oder gar unmöglich gemacht wird. Die Ursachen hierfür liegen in fehlenden basalen Kompetenzen, aber auch in einem Mangel funktionaler Kompetenzen und einer unterentwickelten Selbstregulation.

„Mit gezielter Förderung können die Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern verbessert werden, die ansonsten die Mindeststandards nicht erreichen. Ein motivierender Unterricht, der die Kompetenzentwicklung in den Fokus rückt, wirkt sich sehr positiv aus. In der Sekundarstufe I entwickeln Jugendliche außerdem zunehmend eigene soziale und persönliche Identitäten. Sie stellen sich Fragen wie ‚Wer bin ich und was kann ich?‘ und ‚Wer möchte ich sein?‘. Gerade die Ausbildung einer eigenen Identität und die Einfädelung in eine berufliche Ausbildung stellen zentrale Entwicklungsaufgaben dar. Wir haben uns in dem Gutachten deshalb auch mit überfachlichen Kompetenzen in den Bereichen Selbstregulation und Identitätsentwicklung sowie Berufsorientierung als Aufgabe von Schule beschäftigt."
Prof. Dr. Olaf Köller, Co-Vorsitzender der SWK und Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN)
Als Teil einer zukunftsfähigen Grundbildung empfiehlt die SWK, dass Schulen stärker Lernstrategien, Persönlichkeitsentwicklung und Berufsorientierung vermitteln.
„Wir verlieren junge Menschen zu häufig schon am Beginn ihrer Schulkarriere und am Übergang in die weiterführende Schule. Wenn die Basiskompetenzen nicht sitzen, erscheint jeder weitere Lernschritt als Überforderung. Um jungen Menschen das nötige Rüstzeug für die weitere Ausbildung mitzugeben, ist es deshalb wichtig, auch die berufsspezifischen Fähigkeiten und die personalen Kompetenzen stärker in den Blick zu nehmen. Das Gutachten liefert wertvolle Impulse, wie die Förderung in der Sekundarstufe I besser gelingen kann und bestätigt vieles, woran die Länder schon arbeiten. Neben den fachlichen Fähigkeiten sind gerade Sozialkompetenz, selbstständiges Arbeiten und die Bereitschaft, sich zu entwickeln, der Schlüssel für einen erfolgreichen Sprung in ein selbstbestimmtes Berufsleben. Davon profitieren nicht nur die jungen Menschen selbst, sondern auch die Betriebe, die händeringend Auszubildende suchen."
Theresa Schopper, baden-württembergische Ministerin für Kultus, Jugend und Sport, für die Bildungsministerkonferenz
Neue berufliche Anforderungen und die zunehmende Digitalisierung stellen immer mehr junge Menschen vor große Herausforderungen, wenn es darum geht, einen Beruf zu erlernen und sich in die Gesellschaft zu integrieren. Damit allen Jugendlichen der Übergang in eine Ausbildung gelingt, empfiehlt die SWK, zunächst die unverzichtbaren Kompetenzen zu sichern, bevor auf diesen Kompetenzen weiter aufgebaut wird.

„Jugendliche benötigen in Ausbildung und Gesellschaft flexibel anwendbare fachliche und überfachliche Fähigkeiten, mit denen sie berufliche Situationen strukturieren können. In Mathematik z.B. erfordert der Umgang mit komplexeren und unvertrauten Situationen nicht nur isolierte Rechenfertigkeiten, sondern auch basales Verständnis und elementare Problemlösekompetenzen. Gerade für leistungsschwächere Jugendliche werden jedoch häufig falsche Prioritäten gesetzt. In Zukunft sollten Lehrkräfte, Schulbuchschreibende und Prüfungskommissionen stets vor Augen haben, was das Allerwichtigste ist. Deshalb empfehlen wir, in den Lehrplänen und Prüfungen die basalen und unverzichtbaren funktionalen Kompetenzen explizit auszuweisen und dafür reichhaltige Lerngelegenheiten zu schaffen. Das gleiche gilt für Deutsch, Englisch und die Naturwissenschaften. Die Länder haben mit forschungsbasierten Programmen wie BiSS, QuaMath und Startchancen bereits angefangen, Unterricht und Lehrkräftefortbildung in diese Richtung weiterzuentwickeln, diesen Weg sollten sie konsequent fortsetzen und dabei an Schulen kohärente Botschaften setzen, worauf es wirklich ankommt.“
Prof. Dr. Susanne Prediger, SWK-Mitglied und Professorin für Fachdidaktik und fachbezogene Transferforschung an der Technische Universität Dortmund und am IPN
Im Übergangssektor sollen die Schülerinnen und Schüler berufliche Vorbereitungsangebote erhalten, die dem Aufbau funktionaler Kompetenzen dienen und bei der Berufsvorbereitung unterstützen sollen.
„Der Übergangssektor steht wie kein anderer Bildungsbereich für die Schwierigkeiten junger Menschen, von der Schule in eine berufliche Ausbildung zu wechseln. In den letzten zehn Jahren mündeten jährlich ca. 250.000 junge Menschen dort ein, was rund einem Viertel aller Neuzugänge im beruflichen Bereich entspricht, gleichzeitig gibt es immer mehr unbesetzte Ausbildungsplätze. Es ist wichtig, hier anzusetzen und gerade Jugendliche mit längerfristigem Unterstützungsbedarf in den Blick zu nehmen. Für einen erfolgreichen Übergang in die Berufsausbildung empfehlen wir mit Blick auf die Anforderungen von Ausbildung, Berufsweg- und Lebensgestaltung die Koordination der Angebote und die Unterstützungsmaßnahmen stärker von den Jugendlichen aus zu denken. Wir brauchen transparentere Strukturen und klare Ziele für die Angebote im Übergangssektor. Mit stark individualisierten Förderkonzepten und einem begleitenden, personell stabilen Mentoring während der Berufsvorbereitung bis in die Ausbildung hinein können wir vermeiden, gerade Jugendliche mit längerfristigem Unterstützungsbedarf während der Ausbildung zu verlieren.“
Prof. Dr. Susanne Seeber, SWK-Mitglied und Professorin für Wirtschaftspädagogik und Personalentwicklung an der Georg-August-Universität Göttingen
Die SWK empfiehlt deshalb, den Übergangssektor strukturell weiterzuentwickeln und systematisch auf der Basis diagnostischer Ergebnisse, individuelle Förderangebote vor allem im Bereich funktionaler Kompetenzen zu entwickeln und umzusetzen, verbunden mit einem Mentoring bis in die Ausbildung.
Zusammenfassung der Empfehlungen
Die jeweiligen Kapitel im Gutachten enden mit ausführlichen Empfehlungen. Im Kern werden zum fachlichen und überfachlichen Lernen die folgenden Empfehlungen abgegeben:
- klare Definition der unverzichtbaren funktionalen Kompetenzen am Ende der Sekundarstufe I und damit verbunden die Ausarbeitung der dafür notwendigen Voraussetzungen beispielsweise in Form basaler Kompetenzen;
- Verankerung der unverzichtbaren funktionalen Kompetenzen und ihrer Voraussetzungen in Lehrplänen, Lernstandserhebungen und zentralen Abschlussprüfungen;
- regelmäßiges Erfassen der basalen und funktionalen Kompetenzstände der Schülerinnen und Schüler (mindestens alle zwei Jahre);
- Weiterentwicklung des Fachunterrichts zur Erreichung der basalen und funktionalen Kompetenzen, mit authentischen Lerngelegenheiten und Ausloten der Potenziale digitaler Tools;
- systematische Förderung der leistungsschwächeren Schülerinnen und Schüler durch klug vorstrukturierte, unterrichtsintegrierte und additive Förderangebote mit hoher didaktischer Treffsicherheit;
- Implementierung von Konzepten zur Identifizierung, Diagnose und Förderung von funktionalen und basalen Kompetenzen in die drei Phasen der Lehrkräftebildung, einschließlich fachintegrierten selbstregulierten Lernens;
- Flächendeckende Implementation von Konzepten zur Identitätsentwicklung und der Strategien selbstregulierten Lernens in die drei Phasen der Lehrkräftebildung;
- Implementierung hochwertiger Angebote der beruflichen Orientierung und von Professionalisierungsangeboten in den drei Phasen der Lehrkräftebildung;
- Stärkung der basalen und funktionalen Kompetenzen, insbesondere in den Fächern Deutsch, Mathematik, im Übergangssektor verbunden mit einem Mentoring und einer Begleitung in die Ausbildung hinein.
Im Gutachten wird außerdem eine adressatenspezifische Übersicht angeboten, an die sich die Empfehlungen jeweils richten.
Links
- Gutachten „Kompetenzen für den erfolgreichen Übergang von der Sekundarstufe I in die berufliche Ausbildung sichern“ zum Download: https://swk-bildung.org/content/uploads/2025/03/SWK_2025_Gutach- ten-Sekundarstufe-I.pdf
- Zusammenfassung des Gutachtens Kompetenzen für den erfolgreichen Übergang von der Sekundarstufe I in die berufliche Ausbildung sichern zum Download: https://swk-bildung.org/content/uplo- ads/2025/03/SWK_2025_Gutachten-Sekundarstufe-I_Zusammenfassung.pdf
- SWK Talk „Kompetenzen für den erfolgreichen Übergang von der Sekundarstufe I in die berufliche Ausbildung sichern“ am 10. April 2025 von 13.00 bis 14.00 Uhr, https://www.swk-bildung.org/termine/
Kontakt
Dr. Judith Schulte
Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) Geschäftsstelle
+49 (0)228 501 702
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