Stellungnahme zur Demokratiebildung: SWK empfiehlt Stärkung der Fächer Politik und Geschichte

Die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) empfiehlt, die Fächer Politik und Geschichte in der Schule zu stärken. Ein besonderer Fokus sollte nach Auffassung der Kommission auf politischem und historischem Wissen, Handlungs- und Urteilskompetenz sowie der Förderung von politischem und historischem Interesse liegen.

Die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) hat heute die Stellungnahme „Demokratiebildung als Auftrag der Schule – Bedeutung des historischen und politischen Fachunterrichts sowie Aufgabe aller Fächer und der Schulentwicklung“ veröffentlicht. Darin gibt sie u. a. Empfehlungen für die langfristige Stärkung der Fächer Politik und Geschichte und eine demokratische Schulkultur sowie Hinweise für den Umgang mit akuten Krisen und Konflikten.

Ausgangspunkt der Stellungahme ist die Tatsache, dass der demokratische Rechtsstaat aktuell von unterschiedlichen Seiten unter Druck gerät. An Schulen werden demokratiefeindliche, rechtsextremistische, antisemitische, antimuslimische oder andere menschenfeindliche Aussagen offen geäußert. Gleichzeitig zeigt die Forschungslage, dass Schüler:innen weniger Vertrauen in Politik haben und ihnen häufig politisches Wissen fehlt, um sich rational mit Entscheidungen und Lösungsansätzen auseinanderzusetzen.

Prof. Dr. Felicitas Thiel, Co-Vorsitzende der SWK und Professorin für Schulpädagogik und Schulentwicklungsforschung an der Freien Universität Berlin: „Schule hat einen besonderen Auftrag für Demokratiebildung, denn sie ist die einzige Institution, die alle Kinder und Jugendlichen erreicht. In den Fächern Politik und Geschichte können die Grundlagen gelegt werden, damit Kinder und Jugendliche sich fundiert mit politischen Prozessen und gesellschaftlichen Konflikten auseinandersetzen können.“

Christine Streichert-Clivot, Präsidentin der Kultusministerkonferenz und Ministerin für Bildung des Saarlandes: „Schulen sollen Lernorte sein, an denen Demokratie vorgelebt, erlebt und eingeübt wird, dies hat die Kultusministerkonferenz zuletzt in ihrer Empfehlung ‚Demokratie als Ziel, Gegenstand und Praxis historisch-politischer Bildung und Erziehung in der Schule‘ und in ihrer Stellungnahme zu 75 Jahren Grundgesetz betont. Ich danke der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission und den beteiligten Expertinnen und Experten für ihre Stellungnahme und Empfehlungen: Gerade in Zeiten, in denen der demokratische Rechtsstaat von verschiedenen Seiten unter Druck gerät, ist es von größter Bedeutung, dass die Schülerinnen und Schüler fundiertes politisches und historisches Wissen sowie die notwendigen Kompetenzen zur kritischen Urteilsbildung erlangen. Eine starke demokratische Schulkultur, die Respekt, Partizipation, Selbstwirksamkeit und Mitbestimmung fördert, ist eine unerlässliche Grundlage für engagierte und informierte Bürgerinnen und Bürger. Die Kultusministerkonferenz wird die Empfehlungen prüfen und in ihre weitere Arbeit einfließen lassen.“

Für den Umgang mit akuten Krisen und Konflikten sind Schulen auf externe Unterstützung angewiesen. Die SWK rät den Ländern daher erstens, Informationen und Fortbildungen zu aktuellen politischen Kontroversen und didaktischen Ansätzen für deren Bearbeitung bereit zu stellen. Ein zweiter zentraler Bestandteil sind außerschulische Beratungsstellen, die auf Radikalisierungsprozesse spezialisiert sind und in akuten Situationen unterstützen können.

Mittel- und langfristig hält die SWK eine Stärkung der Fächer Politik und Geschichte für notwendig. Aktuell werden beide Fächer nicht durchgehend unterrichtet, die Anzahl der Stunden variiert stark zwischen den Ländern. Dazu kommt, teilweise bedingt durch fachfremden Unterricht, dass im Unterricht häufig nicht das notwendige Wissen sowie die Handlungs- und Urteilskompetenz vermittelt werden, die für eine Teilnahme an der Gesellschaft als mündige Bürger:innen nötig sind. Die SWK hält die Weiterentwicklung der Lehrpläne für erforderlich. Dies schließt politische Medienbildung ein: Soziale Medien haben für die politische Information von Jugendlichen eine deutlich größere Bedeutung als andere Informationsquellen. Gleichzeitig werden Fehlinformationen und extremistische Inhalte besonders häufig über TikTok und Co. verbreitet.

Die SWK empfiehlt weiter, Demokratiebildung als fächerübergreifendes Prinzip in allen Fächern zu verankern und eine demokratische Schulkultur zu stärken. „Regeln für einen respektvollen und toleranten Umgang miteinander gehören ebenso in das Schulprogramm wie Möglichkeiten der Mitbestimmung für Schüler:innen und Eltern. Es ist Aufgabe der Schulleitung, dafür Sorge zu tragen. Bei allem Potenzial der Demokratiebildung ist jedoch auch klar, dass Bildung die gesellschaftlichen Probleme nicht lösen kann. Sie ist kein Ersatz für eine Politik, die die Anliegen und Ängste junger Menschen aufgreift,“ erklärt Felicitas Thiel weiter.

An der Stellungnahme haben neben den SWK-Mitgliedern Prof. Dr. Monika Oberle (Politikdidaktikerin an der Goethe-Universität Frankfurt), Prof. Dr. Nicola Brauch (Geschichtsdidaktikerin an der Ruhr-Universität Bochum) und Prof. Dr. Herrmann Josef Abs (Universität Duisburg-Essen, Mitautor der International Civic and Citizenship Education Study (ICCS) 2022) mitgewirkt.

Die Empfehlungen auf einen Blick

Empfehlung 1: Ländergemeinsame Definition von Kompetenzzielen der Demokratiebildung in den Fächern Politik und Geschichte abstimmen und Maßnahmen zur Erreichung der Ziele implementieren.

Empfehlung 2: Durchgängiges Unterrichtsangebot in den Fächern Politik und Geschichte sowie Orientierung an einem Spiralcurriculum von der Grundschule bis zum Ende der Sekundarstufe I sicherstellen, das am Leitbild geschichtsbewusster, mündiger Bürger:innen ausgerichtet ist.

Empfehlung 3: Unterricht in den Fächern Geschichte und Politik bzw. in den entsprechenden Verbundfächern sowie im Sachunterricht gezielt weiterentwickeln.

Empfehlung 4: Demokratiebildung als fächerübergreifendes Unterrichtsprinzip in allen Schulfächern verankern.

Empfehlung 5: Demokratische Schulkultur durch eine gezielte Schulentwicklung und Partizipation stärken.

Empfehlung 6: Lehrkräftebildung stärken für einen fachlich und fachdidaktisch hochwertigen Geschichts- und Politikunterricht, für Demokratiebildung als fächerübergreifendes Prinzip sowie für eine demokratische Schulkultur.

Empfehlung 7: Strukturelle und materielle Voraussetzungen für die Verankerung der Demokratiebildung auf allen Ebenen schaffen.

Links

Stellungnahme „Demokratiebildung als Auftrag der Schule – Bedeutung des historischen und politischen Fachunterrichts sowie Aufgabe aller Fächer und der Schulentwicklung“ zum Download https://swk-bil-dung.org/content/uploads/2024/06/SWK-2024-Stellungnahme_Demokratiebildung.pdf

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Dr. Isabelle Sieh
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